Von der Erste Hilfe-Ausbilderin zum „Einkaufshelfer“

Dilara Görün absolviert noch bis August ihr Freiwilliges Soziales Jahr beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt. Bis März hat sie als Erste Hilfe-Ausbilderin Kurse gegeben, heute kauft sie für Frankfurter ein. (Fotografin: Daniel Korn, Malteser Hilfsdienst gGmbH, Frankfurt)
Dilara Görün absolviert noch bis August ihr Freiwilliges Soziales Jahr beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt. Bis März hat sie als Erste Hilfe-Ausbilderin Kurse gegeben, heute kauft sie für Frankfurter ein. (Fotografin: Daniel Korn, Malteser Hilfsdienst gGmbH, Frankfurt)

Mit einem Bachelor-Abschluss in Publizistik und Wirtschaftswissenschaften in der Tasche, trat Dilara Görün im August 2019 die Stelle der Erste Hilfe-Ausbilderin beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt an. Dort durchlief sie zunächst die notwendigen Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, von November bis März gab sie dann Erste Hilfe-Kurse. Bis dahin waren es vor allem junge Menschen auf dem Weg zum Führerschein oder Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittleren Alters zur Auffrischung, mit denen sie es zu tun hatte. „Seit ich im Einkaufsdienst arbeite, habe ich so viel mit älteren Menschen zu tun wie noch nie in meinem Leben zuvor“, beschreibt Görün, wie sich ihre Arbeit in den letzten Wochen verändert hat.

Von heute auf morgen ein anderes Job-Profil

Als die Malteser von jetzt auf gleich ihre Ausbildungsangebote aussetzen mussten, hob Diana Bungert, Leiterin Breitenausbildung beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt, binnen kürzester Zeit die „Einkaufshelfer“ aus der Taufe. „Als Malteser helfen wir dort, wo Hilfe gebraucht wird, eine Einkaufshilfe für die, die nicht selbst einkaufen sollten oder dürfen, war daher naheliegend. Die FSJ’ler wollten alle mitmachen, deshalb haben wir neue Arbeitsabläufe geschaffen, die neuen Aufgaben verteilt und einen Bürozeitenplan aufgestellt, um den persönlichen Kontakt so gering wie möglich zu halten“, erklärt Bungert. Noch am 11. März hatte Görün einen Kurs gegeben, „als ich am Montag darauf ins Büro kam, fragte Diana Bungert uns, ob wir statt unserer bisherigen Aufgaben auch ganz neue übernehmen würden“, berichtet die 23-Jährige. Alle vier FSJ’ler seien sofort von der Idee des Einkaufsdienstes begeistert gewesen, so die gebürtige Frankfurterin, die nach einem Studium in Mainz und einem Jahr als Au-Pair in den USA heute wieder in „ihrer“ Stadt lebt.

„Wertschätzung ist überwältigend“

Wenn Görün morgens ins Büro kommt, gibt es zunächst den Lagebericht und dann die Arbeitsaufträge inklusive Einkaufslisten, Bargeld, Mund- und Nasenbedeckungen, Einweghandschuhen und Adressen der Geschäfte und Klienten. „Die meisten Bestellungen gehen telefonisch ein“, sagt Görün. „Wir kaufen dann am folgenden Tag frisch ein und liefern gleich aus.“ Bisher sei es nicht vorgekommen, dass ein Anrufer gar nichts mehr im Kühlschrank gehabt hätte, „die Menschen, die bei uns anrufen, sind eigentlich sehr entspannt“, freut sich die angehende Fachfrau für Kommunikation, die nach ihrem FSJ einen Master in Medienmanagement oder Unternehmenskommunikation machen will. „Dass die Freude und Wertschätzung, die ich beim Ausliefern erfahre, so groß sein würden, damit hätte ich nie gerechnet. Vor allem ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, sind unglaublich dankbar, dass sie sich nicht selbst in die Warteschlangen vor den Supermärkten stellen und sich der Gefahr der Ansteckung aussetzen müssen.“

Familien halten zusammen

Oft seien es die Kinder, die für ihre Eltern anrufen und bestellen, weil sie weiter weg leben oder aus beruflichen Gründen nicht regelmäßig für ihre Angehörigen einkaufen gehen können. „Mein Eindruck ist, dass viele Familien in dieser Zeit zusammenhalten, dass sie grundsätzlich füreinander da sind und gemeinsam nach Wegen durch die Corona-Zeit suchen.“ Das habe etwas Tröstliches und helfe ihr, „emotional und mental gut durch diese Zeit zu kommen“, sagt die FSJ’lerin.

Helfen war schon immer ihr Ding

In der Regel machen jungen Menschen ihr Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Schulabschluss zur Orientierung oder als Auszeit. Dilara Görün dagegen weiß genau, was sie will, und das ist helfen. Schon in der Oberstufe war sie am Frankfurter Goethe-Gymnasium als Mentorin Ansprechpartnerin für jüngere Schülerinnen und Schüler, hat deren Klassenausflüge mit begleitet, Abende organisiert und ein offenes Ohr für andere gehabt. „Das Soziale kam während meines Studiums zu kurz, da hatte ich Gewissensbisse, weil ich mich nicht gesellschaftlich einbringen konnte. Bevor ich mein Master-Studium anhänge, wollte ich das nachholen“, erklärt Görün, die noch bis August bei den Maltesern bleibt und hofft, dass der Unibetrieb ab Herbst wieder normal läuft und sie ihr Studium wie geplant aufnehmen kann, ihre Motivation. „Als Studentin würde ich gerne nebenberuflich oder ehrenamtlich in der Ersten Hilfe bei den Maltesern weiterarbeiten, denn ich empfinde unsere Gesellschaft als vergleichsweise solidarisch und ich möchte gerne meinen Teil dazu beitragen.“

Kontakt für Interessierte am Einkaufsdienst der Malteser in Frankfurt:

Diana Bungert, Leiterin Breitenausbildung Malteser Hilfsdienst e.V., Tel. 069 94210533, E-Mail: diana.bungert@malteser.org

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3 Fragen an…Dilara Görün, Einkaufshelferin bei den Maltesern

  • Frau Görün, wer ruft bei den Einkaufshelfern an und bittet um Hilfe?

Dilara Görün: Es sind vor allem ältere Menschen, die Hilfe brauchen - die älteste Dame, die ich beliefert habe, war um die 90 Jahre alt. Den Einkaufsdienst nutzen Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder ihr Zuhause aus gesundheitlichen Gründen aktuell nicht verlassen sollten. Vielfach rufen die Betroffenen selbst bei uns an, bei den älteren Menschen kann es passieren, dass sie mit ihrem Telefon nicht richtig klarkommen oder schlecht hören. Daher ist es in unserem Büro seit einigen Wochen etwas lauter als üblich – wir müssen einfach lauter ins Telefon sprechen, damit wir am anderen Ende der Leitung verstanden werden. Es rufen aber auch vermehrt Kinder an, die aufgrund der räumlichen Distanz oder ihrer beruflichen Verpflichtungen nicht selbst in dem Maße für ihre Eltern einkaufen gehen können, wie es für eine gute Versorgung notwendig ist. Das ist für mich derzeit das Schönste an meiner Arbeit bei den Maltesern: zu erleben, dass Kinder ihre Eltern immer noch auf dem Radar haben, dass es enge Beziehungen auch dann gibt, wenn die Kinder weiter weg wohnen. Neben Betroffenen und Angehörigen gab es auch den Anruf einer Pflegerin, die eine ältere Dame nicht mehr selbst besuchen durfte und Hilfe organisiert hat. Wir Malteser haben die Einkäufe dann übernommen.
 

  • Tragen Sie beim Einkaufen eine entsprechende Mund-Nasen-Bedeckung?

Dilara Görün: Selbstverständlich – wir tragen beim Einkaufen wie auch bei der Lieferung immer eine Mund-Nasen-Bedeckung und achten auf entsprechende Handhygiene.
 

  • Wie funktioniert die Geldübergabe mit den Klienten?

    Dilara Görün: Wir übergeben das Bargeld so, wie es der jeweilige Kunde wünscht, aber immer unter der Einhaltung der Hygiene-Vorgaben: Der Abstand von anderthalb Metern wird eingehalten und am besten legen die Kunden das Geld vor die Haustür, zum Beispiel in eine Tasche oder in einen Pappkarton.

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Hintergrund zu Dilara Görün:
Dilara Görün ist 1997 in Frankfurt geboren, hat 2015 Abitur am Frankfurter Goethe-Gymnasium gemacht, anschließend als Au-Pair ein Jahr in den USA gearbeitet und von 2016 bis 2019 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Publizistik und Wirtschaftswissenschaften mit dem Abschluss Bachelor of Arts (B.A.) studiert. Seit August 2019 absolviert sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Malteser Hilfsdienst e.V. in Frankfurt, wo sie eigentlich als Erste Hilfe-Ausbilderin tätig ist. Doch der Ausbruch der Corona-Pandemie und die dadurch bedingt ausfallenden Kurse haben das Job-Profil der 23-Jährigen ordentlich durcheinander gebracht: Seit März hält sie keine Kurse mehr, sondern unterstützt als Einkaufshelferin Frankfurter, die aus gesundheitlichen Gründen jeden persönlichen Kontakt vermeiden sollten.